Transkonnektive Soziale Arbeit
Die transkonnektive Soziale Arbeit stellt einen Paradigmenwechsel dar. Sie fordert nicht nur eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, sondern geht weit darüber hinaus. Während Interdisziplinarität den Austausch zwischen bestehenden Disziplinen beschreibt und Transdisziplinarität für das Überwinden disziplinärer Grenzen steht, kombiniert die Transkonnektivität beides mit einer weiteren Dimension: der systematischen Verknüpfung unterschiedlicher Denk- und Handlungslogiken.
Die Soziale Arbeit ist keine isolierte Disziplin. Sie berührt Philosophie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik und weitere Neurowissenschaften. Doch in der bisherigen Praxis bleibt die Zusammenarbeit oft oberflächlich oder fragmentiert. Die transkonnektive Soziale Arbeit fordert eine tiefere Integration. Theorien und Methoden werden nicht nur nebeneinandergestellt, sondern aktiv aufeinander bezogen. Diagnostik, Therapie, Beratung und Bildung greifen ineinander. Die Sozialarbeiterin wird nicht nur zur Vermittlerin zwischen den Disziplinen, sondern zur Gestalterin von transdisziplinären Prozessen.
Von der Profession zur Gestalterin gesellschaftlicher Prozesse
Ein wichtiger Bezugspunkt für diese Entwicklung ist das Dreifache Mandat nach SILVIA STAUB-BERNASCONI. Sie definierte neben dem klassischen Spannungsfeld der Sozialen Arbeit – der Hilfe und Unterstützung für Einzelpersonen und der Wahrung des Gemeinwohls – ein drittes Mandat: das der wissenschaftlichen Fundierung und Fachlichkeit. Diese Ergänzung war ein entscheidender Schritt in der Emanzipation der Sozialen Arbeit als eigenständige Wissenschaft und nicht nur als ausführendes Organ angrenzender Disziplinen. Ihr Werk „Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft“ (1983) bot über Jahrzehnte hinweg Orientierung und eine klare Abgrenzung zu anderen Professionen.
Die transkonnektive Soziale Arbeit setzt genau hier an – statt „Leitplanken“ zur klareren Definierung, geht es um das Überwinden von selbst gesetzten Grenzen, um den nächsten Schritt der Professionalisierung zu gehen. Wenn STAUB-BERNASCONI den Boden für eine eigenständige Sozialarbeitswissenschaft geebnet hat, dann ist es nun an der Zeit, die darin enthaltenen Potenziale auszuschöpfen. Die Soziale Arbeit darf und muss sich als gesellschaftliche Gestalterin verstehen, die über ihre bisherigen Rollen hinaus Verantwortung übernimmt. Dies bedeutet nicht nur eine stärkere Verknüpfung wissenschaftlicher Erkenntnisse mit der konkreten Praxis, sondern auch eine neue Positionierung innerhalb gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse.
Die Notwendigkeit der Konnektivität
Neben dieser horizontalen Grenzüberschreitung der Professionen braucht es eine vertikale Grenzüberschreitung in die Blickrichtungen der biografisch-organischen Arbeit, der sozio-emotionalen Entwicklung, den neurowissenschaftlichen Bezügen und der systemischen Arbeit. Die Wechselwirkung innerhalb der Methodiken nennt sich dann „Konnektivität“. Diese beschreibt die Notwendigkeit, nicht nur Fachwissen aus unterschiedlichen Disziplinen zu verbinden, sondern auch verschiedene Ebenen des Menschseins in ihrer Ganzheit zu betrachten. Die konnektive Arbeitsweise erfordert eine reflektierte, analytische und gleichzeitig praxisnahe Denkweise, die klassische Trennlinien zwischen Wissenschaft, Praxis und individueller Lebenswelt auflöst.
Eine Bewegung, keine Methode
Die transkonnektive Soziale Arbeit ist daher kein feststehendes Konzept, sondern eine Bewegung – eine dynamische Antwort auf die Herausforderungen einer sich stetig wandelnden Gesellschaft. Sie fordert ein radikales Umdenken, eine Neuausrichtung der Profession und eine tiefere Auseinandersetzung mit den Grundlagen der eigenen Arbeit. Wer sie ernst nimmt, begibt sich auf eine Reise, die über die Grenzen des Bekannten hinausführt – hin zu einer Sozialen Arbeit, die nicht nur hilft, sondern mitgestaltet.